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roch sie nach ungewaschener Kleidung.
»Was wollte Ihre Mutter von Ihnen?«
»Nichts.« Sie holte Luft, schluckte, und ihr Atem rasselte. »Sie
hat gesagt & wir sollen ihn in Ruhe lassen & «
»Also weiß sie, wo er ist.«
»Nein & nein & glaub ich nicht & «
»Sie haben mit Ihrer Mutter allein gesprochen, was wollte sie
von Ihnen?«
»Nichts«, sagte sie leise.
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Das genügte. Ich sprang auf, packte die Decke, bevor Mathilda
die Arme hochbrachte, warf die Decke auf den Boden, griff
nach Mathildas Händen, trat zwei Schritte zurück und zog deine
Tante aus dem Bett. Damit sie sich nicht fallen ließ, schlang ich
ihre Arme um mich und stellte sie aufrecht hin wie eine große
plumpe Puppe.
Da stand sie, schwankte und begriff unübersehbar zum ersten
Mal seit einer halben Stunde, wo sie sich befand und mit wem.
»Alles in Ordnung?«, fragte ich.
Sie sagte heiser: »Mir ist schwindlig.«
»Das geht vorbei.«
»Ich muss mich hinsetzen.«
»Jetzt nicht«, sagte ich. »Ziehen Sie sich Schuhe an, wir
machen einen Spaziergang.«
»Nein«, sagte sie.
»Dann passen Sie auf!«
»Hilfe!«, rief sie. Ich packte sie unter den Achseln und
schleifte sie in den Flur. Ich kniete mich vor sie hin, hob ihren
rechten Fuß, stülpte den Schuh darüber, band ihn zu, dann
machte ich dasselbe mit dem linken Fuß. Mit den dicken Socken
hatte sie einen festen Halt in den Schuhen.
Fünf Minuten später torkelte sie an meinem Arm aus dem
Haus.
Es war ein grauer, kühler Sonntag, kurz vor elf.
»Wo gehen Sie hin?«, fragte Mathilda.
»Kommen Sie einfach mit!«, sagte ich.
»Und wenn mein Bruder in der Zwischenzeit zurückkommt?«
»Das wäre doch schön«, sagte ich.
Zwischen dem eingezäunten Kinderspielplatz mit der
Holzwippe und der Metallrutsche und der Kirche blieben wir
stehen, und sie sagte: »Müssen wir da rein?«
Ich schleppte sie weiter, an dem grauen, mit Holzbohlen
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abgedeckten Steinbrunnen und dem Spielplatz vorbei, und hielt
ihr die Tür auf. Aus einem seltsamen Impuls heraus führte ich
Mathilda zu den drei Bänken vor der rechten Seitenkapelle.
Niemand saß dort oder anderswo in der Kirche. Wir waren
allein.
»Bitte«, sagte ich und deutete auf die hinterste Bank. Sie warf
einen schnellen Blick zur Madonna und nahm Platz.
Ich setzte mich neben sie an den Rand. Minutenlang sprachen
wir kein Wort.
Das weiße Tonnengewölbe mit dem unauffälligen Stuck und
den Rosetten an der Decke schien zu strahlen, und das
Tageslicht, das draußen trüb und abweisend war, schien sich in
der Josephskirche in Helligkeit zu verwandeln. Bei der
Renovierung des fast fünfundzwanzig Meter hohen Raumes
nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die Bauherren auf Prunk
verzichtet, abgesehen vom großen, aus vier Teilen bestehenden
Altarbild. Ich machte Mathilda auf eine Szene aufmerksam, die
zeigt, wie der Kurfürst Ferdinand Maria 1664 seine Stadt und
sein Land in die Obhut des heiligen Josephs legte.
»Warum hat er das getan?«, flüsterte sie.
»Aus Angst vor den Türken«, sagte ich.
Über dem rechteckigen Altarbild thronen überlebensgroß eine
legendäre Ordensschwester der Karmeliter, ein Bruder aus dem
Orden von Franz von Assisi und in der Mitte der Schutzpatron.
Joseph trägt einen Stab, den er, wie alle unverheirateten Männer,
im Tempel bekommen hatte und der zu blühen anfing. »Das
bedeutete«, erklärte ich Mathilda, »dass er der auserwählte
Ehemann für die Jungfrau war.«
»Woher wissen Sie das?«, flüsterte sie.
Ich sagte: »Der Chef unseres Dezernats hat es mir erzählt, er
geht jeden Sonntag in diese Kirche.«
Karl Funkel wohnt nicht weit von Sankt Joseph entfernt, er ist
der Einzige im Dezernat, der regelmäßig einen Gottesdienst
besucht, und weil wir befreundet sind, fragte ich ihn einmal, ob
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sich nach dem Unfall, bei dem ihm ein Junkie bei der Festnahme
ein Auge ausstieß, sodass er seither eine schwarze Klappe tragen
muss, sein Verhältnis zu Gott geändert habe. Nein, hatte Funkel
erwidert, ihm sei schon vorher klar gewesen, dass jeder Mensch
auf sich allein gestellt sei, ganz gleich, ob er an Gott glaube oder
nicht. Erst nach dem Tod bekomme Gott seinen Sinn.
Ich weiß nicht, Liane.
»Bestimmt war unser Dezernatsleiter heute auch hier«, sagte
ich.
Nach einer Weile sagte Mathilda: »In der Kirche ist es
verboten zu sprechen.«
»Glauben Sie«, sagte ich, »dieser Gott hat was gegen die
Wahrheit?«
»Glauben Sie an Gott?« [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]
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