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uns nie auf. Abspeichern konnte man einen erreichten Zustand nicht, jede Sitzung begann von vorne. Wer ins Bett geschickt wurde, ließ den Rechner über Nacht laufen, um am nächsten Tag nach der Schule an der gleichen Stelle weiterspielen zu können. Es spricht für die Frustrationstoleranz der Spieler der Siebziger und Achtziger, dass das neue Medium dennoch so erfolgreich wurde. Den Computerspielconnaisseuren von heute kann man mit dem Sisyphus-Prinzip nicht mehr kommen. Blockbuster-Spiele müssen heute einen Anfang, eine Mitte und ein Ende haben, ein konkretes Ziel, das man erreichen kann, und in der Regel auch eine passende Geschichte, egal, ob man in die Rolle eines Rennfahrers, eines Elitesoldaten oder eines Profiskaters schlüpft. Daran ist nichts Schlechtes: Nur so konnten sich Spiele zu einem tatsächlich erzählenden Medium mausern. Endlosigkeit liefert anschließend der Multiplayer-Modus: Wer die Geschichte durchgespielt hat, kann sich in Räuber-und-Gendarm-Spielen auf irgendeinem internationalen Schlachtfeld, in Online-Autorennen oder Skateboard-Wettbewerben gegen andere Spieler irgendwo auf dem Globus austoben. Der Wettkampf, daran hat sich nichts geändert, steht immer noch im Vordergrund. Allerdings ist kooperatives Spielen heute dabei selbstverständlich. In Ego-Shootern schließen sich Spieler online zu Teams zusammen, der eine hält dem anderen den Rücken frei. »Tetris« ist noch der elementare Kampf Mensch gegen Maschine, nicht zu gewinnen und theoretisch unendlich. Die Klötzchen fallen immer irgendwann zu schnell, um sie in die richtige Lage zu rotieren und lückenlose Mauern zu bauen. Trotzdem hat »Tetris« in seinen verschiedenen Inkarnationen, für Heimcomputer, PC, Automaten, Konsole und Gameboy vermutlich mehr Lebenszeit vernichtet als jedes andere Computerspiel, »Pac-Man« eingeschlossen. Bis heute ist es auf jeder neuen mobilen Spieleplattform eines der meistverkauften Spiele. Sogar auf Apples iPhone. Meiner kleinen Schwester und mir reichte das Spiel allein irgendwann nicht mehr. Also erfanden wir »Mega-Tetris«, »Tetris« plus Quiz: Einer spielte, und der andere saß daneben auf dem grau karierten Schlafsofa und las »Trivial Pursuit«-Fragen vor. Der Spieler musste so schnell wie möglich antworten. Das Ganze war spektakulär genug, dass sich sogar unsere ältere Schwester gelegentlich daneben setzte, um zuzusehen. Jahre später wurde in einer Sat1-Show mit Jörg Dräger, dem letzten großen Schnauzbart der deutschen Fernsehunterhaltung, eine vergleichbare Aufgabe eingeführt: Geschicklichkeitscomputerspiel plus Allgemeinwissensfragen. Wir fühlten uns betrogen. Jemand hatte unsere Idee geklaut. Ein Universum aus weißen Linien Das zweite wirklich prägende Spiel dieser Zeit und das vielleicht beste, das es für den C64 je gab, war »Elite«. Es brach die Kästchen, Plattformen, Labyrinthe und Treppen aller bisherigen Computerspiele auf und ersetzte sie mit einer gewaltigen, unendlich erscheinenden Leere. »Elite« ließ auf dem Fernsehbildschirm erstmals eine 3-D-Welt erscheinen, doch weil es in dieser Welt viel All und wenig sonst gab, zeigte der Bildschirm die meiste Zeit ein tiefes Schwarz, und verteilt darauf kleine weiße Punkte. Man spielt einen Weltraumpiloten, der in einem aus weißen Linien zusammengesetzten Raumschiff das man nur im Vorspann zu sehen bekommt, sonst blickt man durch die Frontscheibe in die bestirnte Schwärze durch eine ferne Galaxie reist. Er kann Hyperraumsprünge von Planet zu Planet machen und auf den sie umkreisenden Raumstationen landen, um dort Handel zu treiben. Die Raumstationen erinnerten mich an die zwanzigseitigen Würfel aus meinen Rollenspielboxen: symmetrische Objekte mit vielen Ecken und Kanten, die ständig um die eigene Achse rotierten. Sie waren ebenfalls lediglich aus Linien zusammengesetzt und hatten einen scheinbar briefschlitzgroßen Einlass an einer Seite. Diesen Einlass musste man zum Landen mit seinem Schiff genau treffen, sich im simulierten dreidimensionalen Raum exakt senkrecht dazu positionieren und dabei durch seitliche Rollbewegungen mit dem Joystick ständig die Rotation der Raumstation ausgleichen. Eine Aufgabe, die anfangs unlösbar schien. Jede Kollision mit der Raumstation wurde bestraft: Wer nicht gleich zerschellte, den attackierten die Schiffe der Weltraumpolizisten. Und sie gewannen immer. Die anfänglichen Fehlversuche versorgten einen so mit wert-, aber auch schmerzvollen Lektionen in Sachen Luftkampf. Später, wenn man mit Weltraumhandel genügend Geld verdient hatte, erlaubte das Spiel den Kauf eines Landecomputers, der das Andockmanöver für einen übernahm, begleitet vom »Donauwalzer« von Johann Strauss. Diese Sequenz findet man bei »YouTube« innerhalb weniger Sekunden, aufgezeichnet und hochgeladen von Enthusiasten Computerspielnostalgiker sind mindestens ebenso besessen von ihrem Hobby wie Modelleisenbahnfetischisten. Die »Elite«-Schöpfer, die Briten David Braben und Ian Bell, zitierten mit dem Strauss-Walzer Stanley Kubricks Science-Fiction-Klassiker »2001«. Ein typisches Beispiel für das komplizierte Spiel mit Zitaten und Querverweisen, das zum Wesen der Nerd-Subkultur ebenso gehört wie zur postmodernen Hochkultur. Ein Ziel im eigentlichen Sinne hatte »Elite« nicht außer, seinen Status, seine Reputation innerhalb des simulierten Universums zu steigern. Man begann »harmlos« und konnte sich über verschiedene Stufen bis hin zur »Elite« hocharbeiten. Bis dahin habe ich es nie geschafft, ich erinnere mich aber, wie stolz ich war, als ich endlich den Status »gefährlich« erreicht hatte. Das Spiel erlaubte es, völlig unterschiedliche Strategien zu verfolgen, unterschiedliche moralische Entscheidungen zu treffen: Man konnte sein Geld mit dem Abbau von Mineralien aus Asteroiden verdienen, mit Piraterie, mit ehrlichem Handel (günstig kaufen, anderswo teurer verkaufen) oder aber mit Drogenschmuggel (hohes Risiko, hohe Gewinne, leichte Gewissensbisse). In der C64-Version gab es eine geheime Sondermission, in der man kleine Pelztierchen namens Trumbles transportieren sollte um dann festzustellen, dass die sich im eigenen Laderaum rasend schnell vermehrten, so den gesamten Platz ausfüllten und weiteren Handel erst mal unmöglich machten. Das Ganze war ein »Star Trek«-Zitat, noch so ein Nerd-Kultur-Augenzwinkern: In der Originalserie mit Captain Kirk und Spock tauchen mehrmals sogenannte Tribbles auf, kleine, ungemein niedliche, sich rapide vermehrende Pelztierchen, die bereits schwanger geboren werden. Die einzige Möglichkeit, sich in »Elite« von der Trumbles-Plage zu befreien, war ein innerhalb der Spielergemeinde weitergereichter Geheimtipp: Flog man nah genug an eine Sonne heran, sodass das Raumschiff bedrohlich heiß wurde, überlebten die virtuellen Tierchen das nicht und man konnte ihre Überreste anschließend als Pelze zu Geld machen. Nerd-Humor ist oft ziemlich schwarz. Der Begriff »Nerd« hieß im amerikanischen Englisch ursprünglich einmal so etwas wie Streber oder Langweiler. Im Laufe der Achtziger jedoch wandelte sich das einstige Schimpfwort zur ironischen, und durchaus mit Stolz getragenen Selbstbezeichnung all jener, die dem Klischee zufolge gut am Computer, aber eher schlecht in Sport waren. Spätestens seit dem Collegefilm »Revenge of the Nerds« von 1984
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