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wieder in sprudelndes Lachen aus; schließlich stellte sie
die Bonbonniere auf den Tisch zurück und nahm noch
ein Gianduiotti heraus. Langsam zog sie das Goldpapier
ab, hielt ihn einen Augenblick lang in die Luft, wobei
sie an wer weiß was denken mochte, und aß ihn. Das
kleine Mädchen sah zu.
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Von dem Tag an kann ich keine Schokolade mehr
essen. Aber ich hoffe, Kind, daß dir die Schokolade
schmecken wird, denn ich will dir eine Menge kaufen.
Ich will dich ganz mit Schokolade eindecken: damit du
sie an meiner Stelle bis zum Überdruß ißt, bis diese
Ungerechtigkeit vergessen ist, die ich mitsamt der Wut
noch in mir trage. Ungerechtigkeit wirst du in demsel-
ben Maße wie Gewalttätigkeit kennenlernen: auch dar-
auf muß ich dich vorbereiten. Ich meine nicht die Un-
gerechtigkeit, ein Huhn zu töten, um es zu essen, eine
Kuh, um sie zu häuten, eine Frau, um sie zu bestrafen:
ich meine die Ungerechtigkeit, die Besitzende von Nicht-
besitzenden scheidet. Die Ungerechtigkeit, die diesen
bitteren Geschmack im Munde zurückläßt, während
die schwangere Mutter anderer Leute Teppiche sauber-
macht. Wie man solch ein Problem lösen kann, weiß ich
nicht. Alle, die es versucht haben, konnten immer nur
den, der den Teppich saubermacht, durch einen andern
ersetzen. Unter welchem System, unter welcher Ideolo-
gie auch immer du geboren wirst, es gibt da stets jeman-
den, der für einen anderen den Teppich ausbürstet, es
gibt da stets ein kleines, durch das Verlangen nach Gi-
anduiotti gedemütigtes Mädchen. Du wirst nie ein Sy-
stem, nie eine Ideologie finden, die das Herz des Men-
schen verändern und seine Bosheit auslöschen könnte.
Wenn man dir sagen wird Bei-uns-ist-das-anders, so er-
widere: Lügner! Dann fordere ihn auf, dir den Beweis zu
liefern, daß es bei ihnen nicht Speisen für Reiche und
Speisen für Arme, nicht Häuser für Reiche und Häuser
für Arme, nicht Jahreszeiten für Reiche und Jahreszeiten
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für Arme gibt. Der Winter ist eine Jahreszeit für Reiche.
Bist du reich, wird die Kälte zum Kinderspiel, weil du dir
Pelz und Heizung kaufst und schifahren gehst. Bist du
aber arm, wird die Kälte zum Fluch, und du lernst so-
gar die Schönheit einer weißen schneebedeckten Land-
schaft hassen. Die Gleichheit, Kind, gibt es nur, wo du
jetzt bist: ebenso die Freiheit. Im Ei und nur dort sind
wir alle gleich. Und da sollst du nun wirklich kommen,
um solche Ungerechtigkeiten kennenzulernen, wo du
dort lebst, ohne jemandem zu dienen?
Von dem hier weiß ich nicht, ob es ein Märchen ist, aber
ich erzähle es dir trotzdem. Es war einmal ein kleines
Mädchen, das glaubte an das Morgen. Und tatsächlich
redeten ihm alle ein, es solle an das Morgen glauben,
und versicherten ihm, das Morgen sei allemal besser.
Der Pfarrer versicherte es ihm, wenn er in der Kirche
seine Verheißungen machte und das Reich Gottes ver-
kündete. Die Schule versicherte es ihm, wenn sie nach-
wies, daß die Menschheit Fortschritte macht, daß die
Menchen einst in Höhlen wohnten, dann in Häusern
ohne Zentralheizung und schließlich in Häusern mit
Zentralheizung. Der Vater versicherte es ihm, wenn
er die Geschichte als Beispiel heranzog und erklär-
te, daß die Mutwilligen stets unterliegen. Zum Pfarrer
hatte das kleine Mädchen bald kein Vertrauen mehr.
Sein Morgen war der Tod, und das kleine Mädchen
machte sich gar nichts daraus, nach seinem Tod in ei-
nem feudalen Hotel genannt Himmelreich zu wohnen.
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Zur Schule hatte es wenig später kein Vertrauen mehr,
und das war in einem Winter, als es an Händen und
Füßen Frostbeulen bekam. Ja, es war schon eine große
Errungenschaft, daß die Menschen es von den Höhlen
bis zur Zentralheizung gebracht hatten: aber das klei-
ne Mädchen hatte keine Zentralheizung. Zu seinem
Vater hatte es jedoch auch weiterhin Vertrauen, blind-
lings. Sein Vater war ein sehr mutiger und beharrlicher
Mann. Schon zwanzig Jahre lang bekämpfte er gewisse
schwarzuniformierte Mutwillige, und jedesmal, wenn
sie ihm Scherereien machten, sagte er tapfer und be-
harrlich: »Das Morgen wird kommen.«
Das kleine Mädchen glaubte ihm, weil es eine Juli-
nacht erlebt hatte. In jener Nacht waren die Mutwilli-
gen vertrieben worden und ihr Krieg schien zu Ende
zu gehen, um den Weg für das Morgen freizumachen.
Doch es wurde September, und die Mutwilligen ka-
men wieder, zusammen mit anderen Mutwilligen, die
deutsch sprachen. Der Krieg ging mit doppelter Här-
te weiter. Das kleine Mädchen fühlte sich betrogen. Es
fragte seinen Vater. Der Vater antwortete: »Das Mor-
gen wird kommen«, und bewies ihm, daß das Morgen
schon bald kommen mußte, weil sie ja nicht mehr al-
lein darauf warteten, denn Freunde, ein ganzes Heer
von Freunden genannt Alliierte waren drauf und dran,
einzutreffen. Tags darauf wurde die Stadt des kleinen
Mädchens von den Freunden genannt Alliierten bom-
bardiert, und eine Bombe fiel genau vor sein Haus. Das
kleine Mädchen war ganz verstört. Als Freunde taten
sie so etwas? Der Vater antwortete, daß sie es leider tun
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mußten und daß es ihrer Freundschaft überhaupt kei-
nen Abbruch tat; zum Beweis brachte er zwei von de-
nen, die Bomben auf sie warfen, mit nach Hause. Sie
waren Gefangene der Mutwilligen gewesen und dann
geflohen. Man mußte ihnen helfen, erklärte der Vater,
weil das Morgen eine gemeinsame Sache ist. Das klei-
ne Mädchen nickte. Zusammen mit seinem Vater, der
damit riskierte, standrechtlich erschosssen zu werden,
versteckte es sie, gab ihnen zu essen, führte sie in Dörfer,
wo sie sicher waren. Dann wartete es geduldig auf die
Streitmacht, die das Morgen bringen würde. Diese Streit-
macht kam aber nie. Es vergingen Wochen, es vergingen
Monate, und indessen starb man durch Bomben, Fol-
tern, Erschießungen: und das vielgesagte Morgen schien
nur noch ein geträumter Traum zu sein. Auch der Vater
des kleinen Mädchens wurde verhaftet, geschlagen, ge-
foltert. Das kleine Mädchen besuchte ihn im Gefängnis
und konnte ihn kaum wiedererkennen, so hatten sie ihn
zugerichtet. Aber sogar im Gefängnis, sogar übel zuge-
richtet sagte er noch: »Das Morgen wird kommen. Das
Morgen ohne Erniedrigungen.«
Schließlich kam das Morgen. An einem Augusttag
in aller Frühe, und in der Nacht war die Stadt von
grauenhaften Explosionen zerfetzt worden. Brücken
und Straßen waren in die Luft gegangen, und wieder
hatten Unschuldige den Tod gefunden. Aber danach
war dieser Sonnenaufgang gekommen, großartig wie
das Glockengeläut zu Ostern, und hatte die Freunde
gebracht. Schön kamen sie daher, lächelnd, festlich,
Engel in Uniform, und die Menschen liefen ihnen
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entgegen und warfen Blumen und riefen danke. Der
Vater des kleinen Mädchens, der jetzt wieder frei war,
wurde von jedermann mit größter Hochachtung gegrüßt,
und seine Augen strahlten wie die eines Menschen, der
den Glauben kennengelernt hat. Da trat jemand auf
ihn zu und sagte, er solle schnellstens zum alliierten
Kommando kommen: sonst würde etwas Furchtbares
geschehen. Der Vater des kleinen Mädchens lief hin
und konnte sich nicht vorstellen, was denn dieses
Furchtbare sein sollte. Das Furchtbare war ein Mann,
der auf einer Wiese schluchzte, den Kopf im Gras. Er
mag vielleicht dreißig Jahre alt gewesen sein. Er trug
einen blauen Anzug, den er offensichtlich angezogen
hatte, um die Freunde zu empfangen, im Knopfloch
prangte eine große rote Blume aus Papier. Vor ihm,
nein, über ihm stand mit gespreizten Beinen ein Engel
in Uniform, die Maschinenpistole auf ihn gerichtet.
Der Vater des kleinen Mädchens beugte sich zu ihm [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]
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